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Asperger Syndrom – der unsichtbare Autismus

 

Obwohl Menschen mit dem Asperger-Syndrom Autisten sind, sind sie für ihre Umwelt nicht als solche erkennbar, denn sie wirken "normal". Das Asperger-Syndrom ist nicht sichtbar und die Schwierigkeiten im sozialen Bereich sind anfangs kaum zu erkennen.

 

Schwierigkeiten bestehen unter anderem auf dem Gebiet der sozialen Beziehungen und der sozialen Interaktion. Vieles, was für den neurotypischen Menschen (=Gegenteil von autistisch) völlig selbstverständlich und normal erscheint, stellt für den Menschen mit Asperger-Syndrom eine Herausforderung dar.

 

Im Laufe des Lebens lernt der Betroffene, mit den meisten Situationen umzugehen und somit ist ein Asperger-Autist oftmals gerade im Erwachsenen-Alter nicht klar erkennbar. Selbst Fachleute haben teilweise Mühe, Betroffene zu erkennen, da sie sich zu ausgezeichneten Schauspielern entwickelt haben.

 

Für die Person mit Asperger-Syndrom sind soziale Situationen jedoch stets anstrengend und ermüdend und sie können in gewissen Situationen gereizt reagieren - für Aussenstehende "völlig aus dem Nichts" und nicht nachvollziehbar. Aussenstehende, d.h. neurotypische Personen, merken in solchen Situationen nicht, dass der Mensch mit Asperger-Autismus bereits eine sehr grosse Leistung erbracht hat und einfach völlig an seine Grenzen stösst. In solchen Momenten hilft der Person mit Asperger-Syndrom nichts besser als sich zurückzuziehen. Oftmals reicht auch ein kurzer Rückzug, eine "Pause", weg vom sozialen Geschehen, einen Augenblick allein zu sein. Danach ist er wieder "funktionstüchtig".

 

Man kann dies am einfachsten mit einem Computer vergleichen: Überlastet man den Prozessor mit komplexen mathematischen Berechnungen, kann der Computer schnell überhitzen und zeigt nur noch "Error" an. Diese "Error"-Meldung blinkt auch bei Asperger-Autisten auf und in solchen Momenten sollten sie die Möglichkeit haben, auszuloggen oder ihren Computer hinunterzufahren. Lässt man dies nicht zu, kann eine Überhitzung des Prozessors zum völligen Shut-Down führen und ein Restart ist nicht mehr möglich. Deshalb: Dem Asperger-Autisten stets und völlig selbstverständlich einen "Logoff" zugestehen und der Computer bleibt funktionsfähig!

 

Es ist ebenfalls falsch anzunehmen, ein Mensch mit Asperger-Syndrom sei Rainman. Der Film Raiman aus dem Jahre 1988 mit Dustin Hoffman zeigt eine hochgradig autistische Person, d.h. mit schwerer autistischer Ausprägung. Das ist nicht das Asperger-Syndrom. Um ein Gefühl für Asperger-Autisten zu erhalten, empfehle ich folgende Serien:

 

  • Sherlock, BBC-Verfilmung von 2010 mit Benedict Cumberbatch in der Hauptrolle des Sherlock Holmes. Sherlock Holmes wird in einer dieser Folgen von Watson direkt als Asperger bezeichnet. Die Serie basiert auf Sherlock als eine Figur, welche eindeutig das Asperger-Syndrom hat. Diese Serie ist meines Erachtens sehr empfehlenswert.

  • The Big Bang Theory, amerikanische Comedy-Serie mit Erstausstrahlung im Jahre 2007. Die Figur des Sheldon Coopers verkörpert einen starken Asperger-Autisten, der zwar hochintelligent, im sozialen Umgang aber sehr schwierig ist. Obwohl das Genre Comedy, zeigt diese Serie viele Situationen, teilweise überspitzt, wie eine Person mit Asperger-Syndrom etwas erlebt oder reagieren würde. Ebenfalls die Mutter von Leonard Hofstadter (leider nur eine Gastrolle) ist ein typisches Beispiel, und versteht sich, nebenbei bemerkt, prächtig mit Sheldon Cooper.

  • Bones, amerikanische Kriminal-Serie mit Erstausstrahlung im Jahre 2005. Die Figur Dr. Temperance "Bones" Brennan zeigt, wie sich Asperger-Autismus bei weiblichen Personen äussern könnte.

 

Auch hier ist klar festzuhalten: Es gibt nicht DEN Asperger-Autisten. Das Asperger-Syndrom äussert sich in verschiedenster Weise. Es gibt ja auch nicht DEN neurotypischen Menschen!

 

Gerade bei der Serie Sherlock sieht man, wie Asperger-Autisten Inselbegabungen entwickeln können. Bei Sherlock ist es die ausgeprägte Beobachtungsgabe. Bei mir selber ist die Beobachtungsgabe auch sehr stark ausgeprägt, denn sie erlaubt mir, Dinge und Details zu erkennen (die danach wie Bausteine "zusammengesetzt" werden), die Neurotypische intuitiv als "grosses Ganzes" wahrnehmen. Personen mit dem Asperger-Syndrom erarbeiten sich solche Fähigkeiten, um Defizite im sozialen Bereich damit ausgleichen zu können.

 

Dieses aufmerksame Beobachten kann beim Augenkontakt jedoch zu einem "Starren" führen und das (neurotypische) Gegenüber fühlt sich oftmals nicht mehr wohl. Das Starren ist eine Art Überkompensation, da der Augenkontakt nicht von Natur aus hergestellt wird. Bitte also ein als "Anstarren" aufgefasstes Verhalten nicht negativ werten. Bei mir persönlich kommt "Anstarren" vor, wenn ich gezielt beobachte oder hochkonzentriert zuhöre. Es ist also nur von Vorteil und hat nichts negatives zu bedeuten. Dasselbe, falls kein oder zuwenig Augenkontakt hergestellt wird: Dies zeugt nicht von Desinteresse oder Ablenkung, sondern kann eine Form sein, wie wir uns viel besser auf die Unterhaltung konzentrieren können.

 

Inselbegabungen können auch im mathematisch-naturwissenschaftlichen oder musischen Bereich vorkommen. Es gibt viele Ausprägungen davon (Auswendiglernen des Fahrplanes, Auswendiglernen von Lokomotiv-Ausführungen, etc.). Solch ausgeprägte Interessen werden Spezialinteressen genannt und führen dazu, dass die betroffenen Personen über lange Zeit und hochkonzentriert an etwas arbeiten können (wie ich stundenlang an dieser Homepage :)). Dadurch wird die Zeit nicht mehr wahrgenommen, sie existiert nicht mehr. Man will nicht unterbrochen werden und jede Störung führt zu Desorientierung und teilweise sogar Aggression. Damit richtig umzugehen ist eine der (vielen) Herausforderungen.

 

Menschen mit Asperger-Syndrom haben in "ihrem" Bereich/Spezialgebiet oftmals ein sehr grosses Wissen. Sie reden gerne so oft als möglich über dieses Thema und sind absolut begeistert. Die Detailgenauigkeit ist eine der Vorteile darin.

 

Spezialinteressen können sich im Laufe des Lebens ändern. Das heisst, ein Interesse, das einen völlig vereinnahmt hat, kann im Jahr darauf schon wieder total uninteressant und langweilig sein. Ein Spezialinteresse erkennt man an der totalen Begeisterung, am grossen Enthusiasmus, wenn dieses Thema zum Gespräch wird.

 

Ebenfalls wichtig für Personen mit Asperger-Syndrom ist das Planen. Wenn etwas geplant ist, muss es auch so durchgeführt werden. Nichts gibt mehr Sicherheit als wissen, was auf einen zukommt. Änderungen sollten rechtzeitig und mit einer plausiblen Begründung angebracht werden. Wenn ein sozialer Anlass stattfindet, ist nicht nur die Anfangszeit, sondern auch die Endzeit von Bedeutung. Und gerade bei sozialen Anlässen: Der Rückzug sollte ohne negative Folgen jederzeit möglich sein.

 

Vieles wird von Menschen mit Asperger-Syndrom lange im Voraus geplant. Auch Details, die neurotypischen Menschen völlig nebensächlich erscheinen. Das ist nicht negativ, sondern entspringt dem hohen Sicherheitsbedürfnis des Asperger-Autisten. Alles, was Sicherheit bietet, ist angenehm. Alles was geplant ist, bietet Sicherheit.

 

Etwas "spontan" zu unternehmen ist Menschen wie mir zuwider. Es kann mal vorkommen, dass es möglich ist, doch höchst selten und sehr ungern.

 

Asperger-Autisten wirken oft naiv. Die Naivität entspringt dem Grund, dass gewisse Situationen nicht adäquat eingeordnet werden können. Beispielsweise wird Ironie oder Sarkasmus nicht verstanden oder Witze werden ernstgenommen. Solche Situationen kann ich oft mit einem Lachen überspielen, aber es macht keinen Spass, dies ständig erleben zu müssen.

 

Grundsätzlich kann es vorkommen, dass der schriftliche Austausch dem mündlichen vorgezogen wird. - Gerade ich ziehe den schriftlichen Austausch dem mündlichen vor. Mir fällt es innerlich einfacher zu schreiben, als ein Gespräch zu führen. Schreiben ist intensiver. Schreiben ist Nähe auf Distanz. Schreiben ist fokussiert. Der schriftliche Ausdruck ist für einen Autisten das, was für den Neurotypischen das Gespräch ist.

 

Generell kann man sagen, dass das Asperger-Syndrom eine starke Ausprägung von bestimmten Charakterzügen, Verhaltensweisen und Fähigkeiten ist. Erst wenn diese in einer bestimmten Anzahl und Form zusammentreffen, ist das Asperger-Syndrom in seiner klinischen Form vorhanden. Doch auch hier gilt: Es gibt leichtere und stärkere Ausprägungen, verschiedene Formen und Intensitäten. Auch ist kein Tag wie der andere: Asperger erscheint mir dynamisch, nicht statisch. Es gibt Tage, an denen mein Verhalten 1:1 dem Lehrbuch entspricht. Und Tage, an denen ich mich völlig normal, klassisch-neurotypisch, wahrnehme. Müdigkeit und Koffein fördern bei mir autistische Phasen. Viel Schlaf hilft hingegen, sowie generelle Enthaltsamkeit bei Koffein, Tein und ähnlichen Stoffen.

 

Auch die Vorteile von Asperger sollten beachtet werden: Personen mit Asperger-Syndrom sind sehr treu und loyal (in Partnerschaft oder Freundschaft), können sich sehr fokussieren und hochkonzentriert an etwas arbeiten, sind offen und unvoreingenommen, sehr enthusiastisch bei bestimmten Themen, sind wortgewandt, detailgenau, kreativ, beharrlich, ordnungslieb, verständnisvoll und haben ein gutes Gedächtnis.

 

 

Eine gute Beschreibung zum Asperger-Syndrom fand ich unter folgendem Link:

http://www.myhandicap.de/asperger-syndrom-bei-autismus.html



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